Atropa belladonna
Beschreibung
Die Tollkirsche ist ein ca. 40 - 150 cm (unter optimalen
Voraussetzungen bis zu 2m) hoch wachsender, mehrjähriger,
krautiger Strauch mit kräftigen, ausladend verzweigten
Stängeln mit breit lanzettlichen, ganzrandigen Blättern (in
der Blütenregion jeweils ein kleineres und ein größeres
genähert).
Die Blätter können Ausmaße von bis zu 15x8 cm erreichen
und sind, so wie die Stängel auch, flaumig behaart.
Die etwa daumendicken, einzeln stehenden Blüten in Glockenform bestehen aus einer bis zu 25mm langen, braunvioletten (var. belladonna) bzw. gelben (var. lutea) Krone und einem fünfzipfligen, grünen Kelch.
Die Krone ist purpurrot geadert, innen schmutzig-gelb und mit einem kurzen 5-teiligen, zurückgebogenen Saum.
Die ungefähr kirschgroße, anfangs grüne und später schwarz glänzende (var. belladonna) bzw. gelbe (var. lutea)
Frucht sitzt nach dem Abfall der Krone in dem grünen Kelch.
Bereits während der Blütezeit (Juni - August) können
einzelne Kirschen reifen. Die Jungpflanze kann mit
bittersüßem oder schwarzem Nachtschatten (Solanum dulcamara / Solanum nigrum) verwechselt werden. Sie liefert einen für Bienen attraktiven Nektar.
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Vorkommen
Die in Mittel- / Südeuropa und in Kleinasien heimische Pflanze hat
sich vermutlich von dort aus nach Westeuropa, Iran und Nordafrika
verbreitet. In Griechenland ist sie nur selten und nur in bergigen
Regionen anzutreffen. In den Alpen kommt sie in bis zu 1700m Höhe
vor. Die Pflanze bevorzugt kalkhaltige Böden und schattige
Standorte. Sie wächst zumeist auf Waldlichtungen oder an
Waldrändern in bergigen bzw. hügeligen Regionen. |
Geschichte
Das Tollkraut zählt neben der Alraune und dem Bilsenkraut
zu den wichtigsten Hexenkräutern im europäischen Raum, da es
besonders häufig in den südgermanischen Gebieten vorkommt. Es
ist allerdings ungewiss, ob es dort heimisch ist oder im frühen
Mittelalter importiert wurde. Vermutlich wird die Tollkirschwurzel
schon seitdem Altertum genauso oder sehr ähnlich wie die
Alraunenwurzel rituell und medizinisch verwendet.
Die Synonyme "Wutbeere" und "Wolfsauge/Wolfsbeere" haben einen Bezug
zum Heidnischen Gott Wotan, der sowohl Gott der Jagt als auch der des
Waldes ("Der heilige Hain") ist. Seine Eigenschaft ist die Raserei und
sein Tier der Wolf (im Heidentum werden verschiedenen Göttern /
Walküren bestimmte Tiere zugeordnet). Vielleicht haben die
Jäger damals aus diesem Grund vor der Jagt 1 - 2 Tollkirschen zu
sich genommen, um ihre Sinne für die Jagt zu schärfen.
Wie einem Fußbodenmosaik aus der Römerzeit in Zypern zu
entnehmen ist, stand die Schicksalsgöttin Atropos, die den
Lebensfaden durchschneidet, bei der botanischen Namensgebung der
Pflanze Pate. "Bella-Donna" bedeutet zu Deutsch "schöne Frau".
Schon bereits sehr früh nutzten Frauen die Wirkung des
Tollkirschensafts dazu, um durch die glänzenden "großen"
Augen attraktiver zu wirken. Dieser Umstand beruht auf der Tatsache,
dass erweiterte Pupillen beim Mensch sexuelle Erregung ausdrücken.
Das wirkt(e) sich günstig auf die Partnersuche aus. Allerdings
geht dies zu Lasten der Sehstärke, wodurch die Frauen
wahrscheinlich wiederum Nachteile bei der Wahl der Männer hatten ;)
Während der Hexenverfolgung im Mittelalter wurde diese und andere
Nachtschattengewächse benutzt, um bei Strafprozessen belastende
Aussagen zu erpressen. Als Wahrheitsdroge konnten sich
Nachtschattendrogen allerdings nicht durchsetzen. Die
Wahnzustände, die bei höherer Dosis auftreten, brachten (in
der frühen Neuzeit) oft die erwünschte Bestätigung des
Hexenverdachts. Außerdem nimmt man an, dass auch die Tollkirsche
ein Bestandteil der Hexensalben gewesen sein könnte.
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Drogen und Inhaltsstoffe
Alle Teile der Pflanze können verwendet werden. Die Blätter werden wissenschaftlich als Belladonnae folium, Belladonnae herba, Solani furiosi oder Belladonnablätter
bezeichnet. Sie sollen während den Monaten Mai bis Juni gesammelt
werden, da zu dieser Zeit ihr Alkaloidgehalt am höchsten ist. Sie
werden im Schatten getrocknet und vor Licht geschützt luftdicht
gelagert. Die Kirschen (Belladonnae fructus) werden
frisch oder getrocknet verwendet. Die Ernte findet vor der absoluten
Reife statt. Trocknung und Lagerung erfolgt an luftigen, trockenen
Orten. Sowohl Kirschen als auch Blätter können in
Rauchmischungen verwendet werden. Das Rauchen der Drogen ist
theoretisch "ungefährlicher" als eine orale Einnahme, da die
Wirkung schneller einsetzt und die Gefahr einer Überdosierung
dadurch geringer ist. Außerdem kann es passieren, dass der
Konsument im Falle einer Überdosierung nicht mehr dazu kommt, den
vergifteten Mageninhalt zu erbrechen. Besondere Vorsicht ist bei
Verwendung der Wurzel (Belladonnae radix) gegeben, da der Alkaloidgehalt dort insgesamt höher ist.
Die ganze Pflanze enthält zwischen 0,272 und 0,511% Tropanalkaloide. Die Varietät lutea
nur 0,295%. In den Stängeln sind bis zu 0,9%, in unreifen
Früchten bis 0,8%, in reifen Früchten 0,1 - 9,6% (!) und in
den Samen nur ca. 0,4% Alkaloide enthalten.
Vorherrschendes Alkaloid in den lebenden Pflanzen ist Hyoscyamin, welches bei der Trocknung zu Atropin (DL-Hyoscyamin, C17H23NO3) umgewandelt wird. In den oberirdischen Teilen sind nur wenig Scopolamin, Gerbstoffe, Cumarine und Flavonoide vorhanden.
In den Wurzeln gibt es neben Hyoscyamin und Cuskhygrin keine
Flavonoide. Die Alkaloide können über die Haut aufgenommen
werden (Siehe "Hexensalben").
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Eigenschaften und Wirkungen
Es treten die für Nachtschattengewächse typischen Wirkungen auf:
Mundtrockenheit und Schluckbeschwerden, Pupillenerweiterung,
beschleunigter Herzschlag, Gesichtsrötung. Des weiteren
psychomotorische Unruhezustände, die sich bis zu
Tobsuchtsanfällen und Krämpfen steigern können,
allgemeine Erregungszustände (auch in erotischer Hinsicht),
sensorische Halluzinationen, die von der Realität teilweise NICHT
unterschieden werden können, Weinkrämpfe, Ideenflucht,
Rededrang, Euphorie, veränderte Umgebungswahrnehmung.
Auf die Erregung folgt ein narkotischer Schlaf, in dem oft sehr farbige
Träume mit häufig erotischem Inhalt vorkommen. Zu meist
werden die Halluzinationen und Träume (bei geschlossenen UND
geöffneten Augen!) allerdings als düster, bedrohlich,
satanisch, zutiefst erschreckend oder dämonisch beschrieben.
Deshalb und aufgrund der Kater-ähnlichen Nachwirkungen berichten
viele Konsumenten, dass sie keine weiteren Erfahrungen mit diesen
Drogen machen wollen.
Auch wenn die (Haupt-) Wirkung nur ca. 3 - 4 Stunden anhält,
können die (Nach-) Wirkungen (im Auge) 3 bis 4 Tage dauern. Diese
können Sehstärkeverlust, Schleimhauttrockenheit,
Gedächtnisverlust und Halluzinationen umfassen. Die
Schleimhauttrockenheit kann zu schmerzhaften Verletzungen und
anschließende Infektionskrankheiten führen, da der
Schutzmechanismus durch die ausbleibende Sekretabgabe geschwächt
ist.
Nicht zu wissen, ob und was man mit Personen besprochen hat oder ob es
nur Halluzinationen waren, mit denen man geredet hat, kann zu
peinlichen und fragwürdigen Situationen in den Folgetagen
führen. Der Berauschte weiß am beim Einsetzen der Wirkung
unter Umständen nicht, dass er (schon) unter Drogeneinfluss steht.
Das kann zu Verwirrung, "Bad Trips" und über das Gefühl,
Verrückt zu werden, (latente) Psychosen auslösen.
Der Konsum von Nachtschattendrogen löst weitaus häufiger
Psychosen mit anschließend erforderlicher stationären
psychiatrischer Behandlung aus, als es andere Halluzinogene tun!
Aussagen von Konsumenten wie "Ich drehte mir bestimmt 50 Zigaretten.
Aber immer, wenn ich sie lecken wollte, waren sie einfach verschwunden.
Ich hab den ganzen Boden abgesucht und hab sie nicht gefunden! Es war
zum Verrücktwerden!" sind keine Seltenheit.
Der Tod kann durch Atemlähmung eintreten.
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Verwendung
Seit der Antike werden Teile der Pflanze unter Anderem als
Schmerzmittel und zur "Dämonenvertreibung" (also gegen
Depressionen, Psychosen und Geisteskrankheiten) angewendet.
In Marokko wird ein Tee aus wenig Wasser, Zucker und den Beeren als
Aphrodisiakum für Männer getrunken. Kleine Dosen davon sollen
"Den Verstand zu intellektueller Arbeit befähigen" und "Die
Gedächtnisleistung verbessern". Nach Überdosierungen kann
allerdings der gegenteilige Effekt eintreten! Im 19. Jh. Wurden
Extrakte unter Anderem gegen Gelbsucht, Wassersucht, Keuchhusten,
Scharlach, Harnorganerkrankungen, Atemwegserkrankungen, Nierenkoliken
und Augenentzündungen verabreicht.
Die medizinische Einzeldosis der pulverisierten, getrockneten
Blätter wird mit 0,05 - 0,1 g angegeben. Die therapeutische Dosis
von Atropin liegt bei 0,5 - 2 mg. (Diese Angaben sind ohne Gewähr)
Heutzutage werden die Blätter medizinisch nur noch in Form von
standardisierten Extrakten in Fertigpräparaten sowie die
isolierten Reinalkaloide oder partialsynthetische Derivate derselben
verwendet. Da der Alkaloidgehalt prozentual in den Wurzeln höher
ist, wird diese zur Aufbereitung vorgezogen. Homöopathische
Zubereitungen (meist erst ab D4) verwendet man häufig bei
hochfieberhaften Entzündungen, z.B. der Mandeln und der Atemwege,
bei Kopfschmerzen und Erregungszuständen.
Hyoscyamin und Atropin wirken als cholinerge Antagonisten und somit als
Gegengift bei Vergiftungen durch Muscarin, Blausäure und Opium.
Morphin ist ein Atropin-Antidot.
Es ergeben sich aus der antagonistischen Wirkung krampflösende
Eigenschaften bei Spasmen im Bereich des Magen-Darm-Kanals, der Gallen-
und Harnwege und bei Bronchialasthma. Vor langer Zeit konnte man
deshalb in Apotheken so genannte "Asthmazigaretten" kaufen, in denen
Nachtschattendrogen enthalten waren.
Da die Alkaloide sekretionshemmend auf Speicheldrüsen,
Schweißdrüsen und die Schleimdrüsen der Atemwege und
des Magen-Darm-Kanals sowie zentral beruhigend wirken, werden sie vor
Operationen gespritzt, damit der Patient nicht am eigenen Speichel
erstickt.
Durch die Lähmung des parasympathischen Teils des Nervensystems
durch Atropin erweitern sich die Pupillen für relativ lange Zeit.
Aus diesem Grund wird es noch heute als Mydriatikum in der
Augenheilkunde angewendet. Früher wurde genau diese Eigenschaft
der Beeren von Frauen genutzt, um attraktiver zu wirken (siehe
Geschichte).
Wurzelauszüge sind als "Bulgarische Kur" gegen Parkinson bekannt.
Dieses Arzneimittel ist in Deutschland jedoch nicht zugelassen.
Atropin ist zwar verschreibungspflichtig und ein Gefahrenstoff, wird
aber nicht als Betäubungsmittel eingestuft. Tollkirschblätter
und -Wurzeln sind Apothekenpflichtig. |
Zubereitung
Trockene Kirschen oder zerbröselte, getrocknete Blätter
werden in Rauchmischungen oder als Aufguss verwendet. Ca. 20 - 180
MILLIGRAMM der Blätter oder 20 - 120 mg der Wurzel werden
geschluckt oder geraucht.
Ein bis zwei Tollkirschen gelten bei Erwachsenen als leicht anregend,
drei bis vier als psychoaktives Aphrodisiakum, drei bis maximal 10 als
stark halluzinogene Dosis. 10 - 20 Beeren gelten als tötliche
Dosis.
ACHTUNG: jeder Mensch reagiert anders auf
Tropanalkaloide. Was für den einen eine leichte Dosis ist, kann
bei dem anderen schon zu heftigen Vergiftungserscheinungen führen!
Außerdem bauen sich die Alkaloide nur langsam ab. Mehrere leichte
Dosen können sich, Zeitlich auch NACH dem Abklingen des
Wirkungsprofils, zu einer tödlichen Dosierung addieren. Wer
experimentieren will, sollte mit kleinen Dosierungen anfangen und
zwischen den Tests mehrere Tage abstinent bleiben.Wegen der stark
schwankenden Alkaloidkonzentration ist eine "sichere Anwendung" aber
nicht möglich und deshalb kann man vor den Konsum nur dringend
abraten ! Dass man Nachtschattengewächse nicht mit anderen
Drogen kombinieren sollte, dürfte aufgrund der heftigen Wirkungen
auf der Hand liegen.
Tollkirschen können auch vermaischt, gegoren und dann zu
"Toll-Kirsch" destilliert werden. Die frischen Kirschen haben einen
leicht süßlichen, faden und bitteren Geschmack, der stark
adstringierend wirkt (hinterlässt ein pelziges Gefühl im
Mund). --> "Papp-Fresse"
Zwei bis vier Beeren können bei Kindern bereits tödlich wirken. Weiterführende Informationen zur Giftigkeit findet man zB bei Gifte.de ( bei unseren Links) |
Kultivierung
Da nur weniger als 60% der Samen keimen, ist die Vermehrung über
Stecklinge von neu ausgetriebenen Schößlingen oder
Wurzelstockablegern am einfachsten und erfolgreichsten. Die Vermehrung
geschieht im Frühling. Trotz den schlechten Keimraten lohnt sich
der kommerzielle Anbau über Samen in Süd-/Osteuropa,
Pakistan, Nordamerika und Brasilien für den medizinischen
Anwendungsbereich. |
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